
Lilian Robert
«Ich spürte, etwas stimmt überhaupt nicht mehr»
Lilian Robert hat in den letzten zwei Jahren drei Sepsis-Episoden überlebt. Die Folgen haben ihr Leben grundlegend verändert. Wie sie diese schwere Zeit erlebt hat, erzählt sie hier.

Lilian Robert ist Mutter von drei erwachsenen Kindern und lebt mit ihrer Familie und ihrem Hund im Kanton Schwyz. Beruflich hat sie einen medizinischen Hintergrund und hat in den letzten Jahren zudem ein Psychologie-Studium absolviert. Ihr Ziel war es, eine eigene Praxis für psychologische Beratung, zu eröffnen.
Doch im Juni 2023 veränderte sich ihr Leben drastisch. «Ich wurde von einer Minute auf die andere aus einem gesunden Leben in eine Intensivstation katapultiert», meint Lilian Robert. Zu diesem Zeitpunkt studierte sie Psychologie im Bachelor. Als sie für eine Prüfung lernte, legte sie eine Pause ein, setzte sich auf die Terrasse und schlief in der prallen Sonne ein. Stunden später fand ihr Mann sie dort: über 40 Grad Fieber, kaum noch ansprechbar. Eine unbemerkte Blasenentzündung hatte sich zu einer Nierenbeckenentzündung und schliesslich zu einer Sepsis entwickelt. «Ich habe gelitten. Mit der Antibiotika-Therapie konnte ich mich aber im Juni davon erholen.» Trotz dieses Rückschlags gelang es ihr, die verpasste Prüfung nachzuholen und ihr Studium abzuschliessen.
Was ist Sepsis?
Sepsis ist ein lebensbedrohlicher Notfall, der entsteht, wenn die körpereigene Abwehrreaktion auf eine Infektion das eigene Gewebe und die Organe schädigt. Ohne frühzeitige Erkennung und Behandlung kann sie rasch fortschreiten, zu Organversagen und septischem Schock führen und tödlich enden. Weltweit zählt Sepsis zu den häufigsten Ursachen vermeidbarer Sterblichkeit und Morbidität.
«Mein Leben hat sich total verändert»
Im darauffolgenden Herbst verreiste Robert mit ihrer Familie . Doch während der zweiten Ferienwoche fühlte sie sich zunehmend schwach. «Die Heimfahrt war wahnsinnig anstrengend, und der Koffer fühlte sich tonnenschwer an», erzählt sie. Wieder zuhause ging sie schlafen – am nächsten Tag versuchte sie , ins Labor zu gehen, das sie damals leitete. «Ich wollte durchhalten, weil es der erste Tag nach den Ferien war», sagt sie. Doch es ging nicht. Sie rief ihren Mann an, der sie direkt ins Spital brachte.
«Mit dieser zweiten Sepsis-Episode hat sich mein Leben total verändert», sagt Robert. «Ich war viel kränker als bei der ersten Sepsis.» Die Situation war sehr ernst. Sie erinnert sich: «Als ich auf der Intensivstation war, spürte ich: Etwas stimmt überhaupt nicht mehr. Ich dachte: Wenn ich jetzt einschlafe, wache ich nicht mehr auf.» Es habe sich angefühlt, wie wenn innerlich etwas nachgeben würde. Eine enorme Schwäche.
Zusätzlich entwickelte sie eine atypische Lungenentzündung, wodurch 20 Prozent ihres Lungengewebes dauerhaft geschädigt wurde. Sechs Wochen verbrachte sie insgesamt im Spital, fünf davon mit hohem Fieber zwischen 39 bis 41 Grad. Danach war sie einige Wochen in der Reha. Noch heute leidet sie an den Folgen.
Die Angst bleibt
Ein Jahr später erlitt Robert erneut eine Sepsis, dieses Mal durch eine Nierenbeckenentzündung. «Man hat grössere Angst vor Infektionen und wird noch vorsichtiger», erzählt sie. Eine Nachsorge bezüglich Sepsis gab es in ihrem Fall nicht. «Ich versuche, trotzdem ein einigermassen normales Leben zu führen.»
«Es braucht Zeit, das zu akzeptieren»
Lilian Robert lebt seit 17 Jahren mit Multipler Sklerose und hat durch die Therapie ein geschwächtes Immunsystem, was sie zu einer Risikopatientin macht. Seit ihren Sepsis-Episoden erhält sie eine Rente der Invalidenversicherung (IV). Sie konnte ihre Praxis für psychologische Beratung nicht wie geplant eröffnen, da sie nur begrenzt arbeiten kann. «Es braucht Zeit, das zu akzeptieren», betont sie. «Aber ich sehe es positiv: Mein Wissen kann ich bei anderer Gelegenheit nutzen.»
«Es kann jede und jeden jederzeit treffen»
Trotz ihres medizinischen Ausbildungshintergrunds wusste Lilian Robert nicht, was Sepsis wirklich bedeutet. «Ich kannte den Begriff und die Symptome, aber nicht die Realität. Erst jetzt weiss ich, wie schnell eine Sepsis lebensbedrohlich werden kann.» Sie hat viel geschrieben und gesprochen, um ihre Geschichte zu verarbeiten. Und sie appelliert: «Wir müssen darüber reden – denn es kann jede und jeden jederzeit treffen.»
Text und Foto: Andrina Sarott