
Jennifer Epifanio
«Niemand ist sicher vor einer Sepsis»
Jennifer Epifanios Sohn Elia war gerade 14 Jahre alt, sportlich, voller Energie und Träume, als er Ende März 2023 innert weniger Tage an einem septischen Schock starb. Seine Mutter erzählt ihre und Elias Geschichte, in der Hoffnung, andere Familien damit sensibilisieren zu können.

Am 21. März 2023 feierte das Kartsport-Nachwuchstalent Elia Epifanio seinen 14. Geburtstag im Klassenlager. Drei Tage später trainierte er als Vorbereitung für die bevorstehende Schweizer Kart-Meisterschaft in Italien – wie so oft mit voller Begeisterung und Energie. Diesmal wirkte er auf der Heimfahrt ungewöhnlich müde und klagte ein wenig über leichte Halsschmerzen. Trotz Erkältung wollte der Teenager am nächsten Morgen unbedingt die neu fertiggestellte Kart-Piste in Wohlen besichtigen. «Er war völlig begeistert, ging die Strecke im Regen ab, während ich im Auto auf ihn wartete», erinnert sich seine Mutter Jennifer.
Am Sonntag feierte die Familie von Elia seinen Geburtstag nach – nichts wies daraufhin, dass er 24 Stunden später um sein Leben kämpfen würde. In der Nacht auf Montag verschlechterte sich sein Zustand. Er hatte 39 Grad Fieber und hustete sehr stark, sodass er nicht in die Schule gehen konnte. Am Morgen erhielt er fiebersenkende Medikamente und gegen Mittag begann Elia, auffällig stark zu atmen bzw. es viel ihm schwer. In diesem Moment legte er sich plötzlich weinend vor Schmerzen auf den Boden und sagte: «Mami, ich habe solche Schmerzen, ich will zum Arzt. Ich halte es nicht mehr aus!» Für seine Mutter war das alarmierend. Elia war zuvor nie krank und auch nicht schmerzempfindlich.
Da der Kinderarzt krank war und der Hausarzt der Mutter keinen zeitnahen Termin anbieten konnten, wollte Elia in den Notfall. Der 14-Jährige konnte vor Schmerzen kaum noch gehen und brauchte deshalb einen Rollstuhl. Zudem war seine Atmung nach wie vor auffällig schwer. Es war ihm selbst nicht möglich, der Pflegefachfrau zu erzählen, was er hatte. Dies musste seine Mutter übernehmen. Mit der Differenzialdiagnose Influenza B wurden Mutter und Sohn gegen 17 Uhr, rund vier Stunden später, wieder aus dem Spital entlassen.
«Ja, Papi, ich habe Angst»
In den folgenden Stunden zu Hause verschlechterte sich Elias Zustand rapide. Er begann Blut zu spucken und wurde mit der Ambulanz noch am selben Abend wieder ins Spital gebracht. «Wie lange geht das noch? Wann kann ich wieder heim?» fragte Elia wütend, während um ihn herum Hektik ausbrach. Sein Vater Daniele versuchte, ihm Mut zu machen: «Mach dir keine Sorgen. Es wird alles wieder gut. Hast du Angst?» Seine letzten Worte in seinem Leben waren: «Ja, Papi, ich habe Angst.» Kurz darauf verlor er das Bewusstsein. Da keine Rega verfügbar war, wurde er mit der Ambulanz vom lokalen Spital ins Universitäts-Kinderspital Zürich verlegt. Dort musste er sofort reanimiert und an die Herz-Lungen-Maschine (ECMO) angeschlossen werden.
«Das kränkste Kind in der Schweiz»
Auf der Intensivstation lag Elia im künstlichen Koma. Er erhielt verschiedene Infusionen und wurde künstlich beatmet. Sein Körper war aufgedunsen und seine Haut übersät mit Flecken. Für die Eltern war es kaum erträglich, ihn so anzusehen oder zu berühren.
Am Dienstagmorgen kam die Diagnose: ein septischer Schock, ausgelöst durch eine Grippe-Infektion und eine sekundäre bakterielle Lungenentzündung. «Frau Epifanio, Sie haben aktuell das kränkste Kind in der ganzen Schweiz», sagte der Arzt. «Ich fragte mich, wie kann das sein? Es gibt so viele Kinder, die zum Beispiel schwer an Krebs erkrankt sind – das muss ein Irrtum sein!», sagt Jennifer Epifanio. Die Überlebenschance zu diesem Zeitpunkt lag bei rund 50 Prozent. Doch die Ärzte machten deutlich, dass diese Prognose sehr unsicher war, und die einzige Möglichkeit, die Sepsis zu stoppen und sein Leben zu retten, eine Amputation beider Beine und wahrscheinlich auch noch der Hände sei. Schliesslich erhielten die Eltern am darauffolgenden Tag die zerstörende Nachricht: Elia werde die Folgen des septischen Schocks nicht überleben. Auch eine Amputation der Extremitäten würde seine Überlebenschancen nicht mehr verbessern. Die lebenserhaltenden Maschinen wurden aus diesem Grund am Freitag, den 31. März 2023, an dem Wochenende, an dem er sein erstes Rennen an der Schweizer Kart-Meisterschaft hätte bestreiten sollen, abgestellt.
«Unser geliebter Sohn und grosser Bruder flog für immer in den Himmel», sagt Jennifer Epifanio traurig. Die Verarbeitung ist für die ganze Familie sehr schwer. «Die Bilder kommen immer wieder auf und werfen mich jedes Mal aus der Bahn.» Auch die Geschwister leiden unter dem Verlust ihres grossen Bruders und starken Verlustängsten. Die ganze Familie befindet sich noch heute in psychologischer Betreuung, um das Geschehene zu verarbeiten.
Was ist Sepsis?
Sepsis ist ein lebensbedrohlicher Notfall, der entsteht, wenn die körpereigene Abwehrreaktion auf eine Infektion das eigene Gewebe und die Organe schädigt. Ohne frühzeitige Erkennung und Behandlung kann sie rasch fortschreiten, zu Organversagen und septischem Schock führen und tödlich enden. Weltweit zählt Sepsis zu den häufigsten Ursachen vermeidbarer Sterblichkeit und Morbidität.
«Unser Sohn war Sportler, er war gesund»
Jennifer Epifanio meint: «Erst durch Elia haben wir erfahren, was Sepsis ist. Davor hatten wir nie davon gehört. Heute weiss ich, was die Symptome einer Sepsis sind.» Und sie warnt: «Unser Sohn war Sportler. Er war gesund und hatte nie ernsthafte gesundheitliche Beschwerden. Niemand ist vor einer Sepsis sicher und jede Minute zählt, um sie zu erkennen und rechtzeitig zu behandeln.»
Um an Elia zu erinnern und auf das Thema Sepsis zu sensibilisieren und um Spenden für das Universitäts-Kinderspital Zürich zu sammeln, hat die Familie Epifanio am 14. September 2024, kurz nach dem Welt-Sepsis-Tag, das «Trofeo Elia Epifanio» auf der Kartbahn in Wohlen ins Leben gerufen. Anfang 2025 fand bereits das zweite Rennen in diesem Rahmen statt. Von der Zweitauflage wird am 5. Oktober 2025 eine Videoreportage in der Sendung GRIP auf RTL2 ausgestrahlt.
Text und Foto: Andrina Sarott